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Wien, am 9. Februar 2010

Buchbesprechung
Schicksal eines Dorfes an der Grenze
im ungarischen Sprachgebiet

Unter dem Titel A kettézárt falu veröffentlichte bereits im Jahre 2000 der Journalist und Buchautor Miklós Zelei in ungarischer Sprache seinen von ihm zutreffend so bezeichneten "Dokumentarroman". Es handelt sich um ein bis ins Detail kenntnisreich und spannend geschriebenes Buch aus dem durch Grenzziehung(en) geteilten ungarisch besiedelten Sackgassendorf Szelmenc. Der einst ungarisch, heute slowakisch verwaltete Dorfteil Nagyszelmenc und das ebenfalls ungarischsprachige, nun ukrainische Kisszelmenc, blieben bis in die heutige Zeit getrennt - auch nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" und nach Einführung der Schengener Außengrenzen der EU. Um von einem Teil in den anderen Teil des Dorfes zu gelangen, benötigt man ein Visum. Tagsüber gibt es inzwischen sogar einen Grenzübergang für Fußgänger. Autofahrer müssen dafür einen längeren Umweg nehmen.
Die wechselnde staatsrechtliche Zugehörigkeit bzw. Trennung der beiden getrennten fremdstaatlich verwalteten Ortsteile in den Vorkarpathen stellt ein lange vernachlässigtes Stück unbewältigter Zeitgeschichte dar, die der Autor facettenreich beleuchtet und überzeugend analysiert. Schon eingangs wird am Beispiel eines Bewohners von Kisszelmenc in Form einer Anekdote die wechselnde staatliche Zugehörigkeit des Ortes im Lauf der Zeit skizziert: Die Bewohner, ehemals Angehörige der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, kommen - ohne Ortswechsel - nach Ungarn, zur Tschechoslowakei, dann erneut nach Ungarn, zur Sowjetunion und mit deren Zerfall schließlich zur Ukraine.
Parallele zum sudetendeutschen Schicksal: Bei fortbestehender Volkszugehörigkeit ändert sich die Staatsangehörigkeit mit dem jeweiligen Wechsel der staatlichen Zugehörigkeit der Heimatgemeinde. Im ungarischen Beispiel geschieht dies durch Änderungen auf engstem Raum und daher in noch drastischerer Weise. Wir sehen ein eindrucksvolles, bisher kaum bekanntes Lehrstück für geteiltes und geschundenes Volkstum im mittel-/osteuropäischen Vielvölkerraum des 20. bzw. 21. Jahrhunderts. Und: Ein noch immer offenes Problem an der Ostgrenze der EU bzw. an der ukrainischen Westgrenze. Die von Miklós Zelei kenntnisreich, spannend und einfühlsam beschriebenen bizarren Grenzverhältnisse haben - nicht zuletzt durch ihn - seit 2005 auch in der Weltpresse zunehmend Beachtung gefunden. Die 2009 vorgelegte deutschsprachige Ausgabe verdient weite Verbreitung und kann - trotz des übersetzungsbedingt etwas sperrigen Titels - uneingeschränkt empfohlen werden.

ZELEI, Miklós: Das entzweigesperrte Dorf, Dokumentarroman; broschiert, 380 Seiten, Herne 2009, (Gabriele Schäfer Verlag) ISBN 978-3-933337-58-0. Aus dem Ungarischen von Tibor Schäfer; Preis: Euro 33,-- (Rabatt bei Mehrfach-Abnahme)

Univ. Prof. Horst Rudolf Übelacker